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Express-Scheidung beim Standesamt

Gibt es die Express-Scheidung demnächst ohne Anwalt beim Standesamt? 

Das deutsche Familienrecht ist kompliziert und Scheidungen vom ehemaligen Gatten nicht nur schmerzhaft, sondern auch mitunter mit nicht unerheblichen Scheidungskosten und gegenseitigen Zahlungsverpflichtungen verbunden. Das ist ein Problem, zumal beide Gesichtspunkte den nach einer Scheidung notwendigen Neustart wesentlich beeinflussen. Jemand, der finanziell und mental am Boden ist, kann mitunter nicht so leicht wieder aufstehen und benötigt eventuell Unterstützung. Daher muss allen an dem Scheidungsverfahren Beteiligten daran gelegen sein, sämtliche Prozesse zu vereinfachen und zu vergünstigen. 

Im Rahmen dieser Debatte hat der Bundesverband der Deutschen Standesbeamten (BDS) nun den Vorschlag gemacht, statt mit einem Rechtsanwalt zu Gericht, lediglich mit seinem Noch-Ehegatten zum Standesamt zu gehen und sich dort durch Erklärung der Scheidungsabsicht vor einem Standesbeamten scheiden zu lassen. 

Was genau schlägt der BDS vor? 

Der BDS bezeichnet seinen Vorschlag als „Express-Scheidung vor dem Standesamt“. Dies beinhaltet, dass scheidungswillige Ehegatten eine Online-Scheidung bei den zuständigen Standesämtern durchführen können. Hierbei handelt es sich dann im juristischen Sinne nicht mehr um einen Gerichtsbeschluss, sondern um einen Verwaltungsakt. Konkret würde unter anderem an § 1564 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches gesägt: 

„Eine Ehe kann nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden.“ 

Tauscht man die „richterliche Entscheidung“ durch die Entscheidung eines Standesbeamten aus, rüttelt man an einem der Grundprinzipien des deutschen Ehescheidungsrechts. Ganz bewusst hat der Gesetzgeber mit der richterlichen Entscheidung eine hohe Hürde für Scheidungen gesetzt, um zu verhindern, dass sich Ehegatten leichtfertig scheiden lassen. So tiefgreifend der Eingriff somit ist, so erstrebenswert sind auf der anderen Seite die Ziele, die der BDS mit seinem Vorstoß verfolgt. Zum einen könnte das Verfahren vor dem Standesamt die Scheidungskosten gegebenenfalls reduzieren, zum anderen entlastet die Verlagerung der Scheidungsbefugnis auf die Standesämter die Familiengerichte. 

Allerdings gibt es zwei Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit eine „Express-Scheidung“ möglich ist. Erstens muss es sich um eine einvernehmliche Scheidung handeln. Das bedeutet, dass keine Streitigkeiten zwischen den Ehegatten in wesentlichen Punkten der Scheidung mehr bestehen. Unter wesentlichen Punkten sind insbesondere die Unterhaltspflicht, das Umgangs- und Sorgerecht für eventuell gemeinsame Kinder sowie die Regelung des Zugewinn- und des Versorgungsausgleichs zu verstehen. Besteht in diesen Punkten zwischen den Ehegatten Einigkeit, steht der einvernehmlichen Scheidung nichts im Wege. 

Zweite Voraussetzung der „Express-Scheidung“ ist, dass keine minderjährigen Kinder bei der Scheidung betroffen sind. Betrachtet man diese Voraussetzung vor dem Hintergrund, dass sich die Mehrheit der Ehegatten scheiden, wenn ihre Kinder das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, stellt diese Bedingung ein nur im statistischen Ausnahmefall erfülltes Erfordernis dar. 

In seiner Argumentation stützt der BDS seinen Vorstoß insbesondere auf den Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU). Dort sei die Scheidung bei den zuständigen Standesämtern bereits möglich. Während in Deutschland die Höhe der Scheidungskosten in vielen Fällen mehrere Tausend Euro betrügen, zahle man nun in Italien 16 Euro und in Spanien 50 Euro. 

Ist die Scheidung beim Standesamt sinnvoll und umsetzbar? 

Das deutsche Familienrecht knüpft mit dem Verweis auf die Entscheidung des Richters im Falle eines Scheidungsantrages ganz bewusst eine hohe Hürde, die den Ehegatten einerseits bewusst machen soll, dass die Scheidung eine mit Weitsicht zu treffende Entscheidung sein soll. Andererseits schützt sowohl die richterliche Entscheidung als auch der vorgesehene Anwaltszwang davor, dass scheidende Ehegatten unbewusst oder leichtfertig auf ihnen rechtmäßig zustehende Ansprüche verzichten, weil ihnen diese schlichtweg nicht bekannt sind. Hier seien nur einmal der Rentenausgleich, der Zugewinnausgleich oder Unterhaltsansprüche genannt. Solche Ansprüche sind in anderen Rechtsordnungen zum Teil überhaupt nicht vorgesehen und eine Prüfung solcher Ansprüche ist komplex und durchaus schwierig. Der unbewusste oder leichtfertige Verzicht auf Ansprüche ist rechtlich bindend, so dass schwerwiegende Folgen auch später in der Regel nicht mehr ausgebügelt werden können. 

Das deutsche Familienrecht selbst für Anwärter des Anwaltsberufs aufgrund seiner Vielfältigkeit und Komplexität schwierig zu verstehen ist, sollten scheidungswillige Ehegatten, unbedingt vor einer Scheidung eine anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen. 

Rückschau und Ausblick: Veränderungen noch nicht in Sicht 

Bereits vor einigen Jahren ist eine Gesetzesinitiative angerregt worden, die das gleiche Ziel, aber einen anderen Weg zum Inhalt hatte. Dieser bestand darin, dass scheidungswillige Ehegatten ihre Scheidung durch Beurkundung eines Notars erwirken konnten. Jedoch hätten sie beim Notar nachweisen müssen, dass sie sich vorher einer anwaltlichen Beratung unterzogen haben. Auch nach diesem Vorschlag lägen die Scheidungskosten im Minimum wohl kaum unterhalb der heutigen Scheidungskosten von durchschnittlich etwa  2.000 Euro. 

Auch der jetzige Vorstoß des BDS wird im politischen Berlin nicht mit offenen Armen aufgenommen. Vielmehr sehen die zuständigen Ministerien keinen Änderungsbedarf. Somit wird es voraussichtlich mittel- und langfristig bei den aktuellen Regelungen des Familienrechts bleiben. 

Gibt in der aktuellen Rechtsordnung einen Königsweg? 

Einen echten Königsweg gibt es nach aktueller Lage wohl nicht. Allerdings können scheidungswillige Ehegatten einen Mittelweg zwischen umfassender anwaltlicher Vertretung und dem geringen Verbrauch von Geld- und Zeitressourcen gehen. Insbesondere bei einvernehmlichen Scheidungen benötigen Mandanten von Anwälten für Familienrecht häufig nur eine ausreichende Rechtsberatung bezüglich der gegenseitig bestehenden Rechte und Pflichten. In einer solchen Beratung kann dann unter Berücksichtigung des speziellen Einzelfalles geprüft werden, ob überhaupt eine außergerichtliche oder gerichtliche Regelung erforderlich ist. Diesem Auftrag kann der Rechtsanwalt z.B. durch das Angebot einer sogenannten Online-Scheidung gerecht werden. Diese hilft dabei, Zeit- und Geldressourcen zu schonen, indem sie zum Beispiel die Übermittlung des Antrags an den Rechtsanwalt online erfolgen lässt. Daneben besteht stets die Möglichkeit, individuellen juristischen Rat einzuholen. Vor allem aber geht der Mandant kein Risiko ein, auf etwaige Ansprüche zu verzichten oder diese zu verlieren. 

So ist es im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung möglich, nur einen Rechtsanwalt für die Antragsstellung zu beauftragen, der anschließend von beiden Ehegatten bezahlt wird. Hier kann bereits die Hälfte der Anwaltskosten gespart werden, und dennoch die Voraussetzung des Anwaltszwangs erfüllt werden. Hinzu kommt, dass Gerichte den Gegenstandswert unter Umständen und auf Anregung um bis zu 30% herabsetzen, wenn dies die Einfachheit und der Arbeitsaufwand des Verfahrens gebietet. Da sich daran die Gerichts- und Anwaltsgebühren orientieren, hat diese Entscheidung eine erhebliche Auswirkung auf die Gesamtkosten einer Scheidung. 

Schließlich lässt sich festhalten, dass die Online-Scheidung zwei wesentliche Aspekte einer angenehmen Scheidung, nämlich zum einen die Kostenersparnis und zum anderen die notwendige rechtliche Beratung, miteinander verbindet und damit den aktuell wohl bestmöglichen Kompromiss für scheidungswillige Ehegatten darstellt. 

 

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